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Arbeitswelt 4.0 | Community | New Work | Remote Work

Rückblick: Das war Brandenburg Remote 2022

28.04.2022

Unsere Online-Konferenz ‘Brandenburg Remote – Neues Arbeiten und Leben auf dem Land’ hat sich letztes Jahr bereits einen Namen über die Brandenburger Landesgrenzen hinweg gemacht, denn mit ihrem thematischen Fokus greift sie nicht nur brandaktuelle Trends auf, sondern ist zudem deutschlandweit einzigartig. Am 24. März 2022 fand die Konferenz nun zum zweiten Mal statt und stellte mit ihren vielfältigen, teils interaktiven Formaten und mit rund 25 Speaker:innen sowie über 150 Teilnehmenden auch diesmal wieder eine breite Plattform für Austausch und Vernetzung bereit. Dabei blieb kaum ein Thema unberührt: Vom digitalen Wandel unserer Arbeits- und Lebenswelt und dessen Chancen und Herausforderungen über mögliche Entwicklungsperspektiven für ländliche Räume bis hin zu zukünftigen gesamtgesellschaftlichen Transformationsprozessen. Auch in diesem Jahr kam wieder ein buntes und spannendes Potpourri an Wissen zusammen.

Science Slam:
Neues Arbeiten und Leben auf dem Land im Fokus der Wissenschaft

Gleich zu Beginn der Konferenz ebneten drei Wissenschaftler unterschiedlicher Disziplinen mit ihren Perspektiven den Weg für einen ersten fachlichen Austausch. In jeweils knackigen 15 Minuten präsentierten sie informative und inspirierende Einblicke in aktuelle Trends unserer Arbeits- und Lebenswelt. 

Hans Rusinek von der Universität St. Gallen klärte darüber auf, wie der Wandel der Arbeitswelt neue Arbeitsräume erfordert, entstehen lässt und fördert. Er weckte in seinem Vortrag unser Bewusstsein für die Themen Nähe und Resonanz im digitalen Zeitalter – wie sie abhanden kommen und darum bewusst gestaltet werden müssen.

Daran knüpfte Rusinek den Aufruf, wieder mehr Verantwortung für das Für- und Miteinander in unserer Arbeitswelt zu übernehmen. Damit gewann er bereits in den ersten Minuten der Konferenz das Publikum für sich. 

Dr. Mathias Dolls vom ifo Institut präsentierte pointiert Ergebnisse seiner empirischen Forschung zu aktuellen Wanderungsbewegungen von den Städten aufs Land. Besonders spannend war hier die Erkenntnis, dass immer mehr Deutsche planen, die Großstädte zu verlassen und in ihre Vororte alias Speckgürtel oder in die nächstgrößeren Städte zu ziehen. Knapp die Hälfte aller Befragten der Studie gaben an, dass die Corona-Pandemie ihre Entscheidung beeinflusst habe. Wer den Schritt jedoch letztendlich tatsächlich wagt und wie sich dieser Trend weiterentwickelt, ist Stoff für die weitere Forschung. 

Auch Frederick Sixtus vom Berlin-Institut für Bevölkerung und Entwicklung bestätigte, dass das Leben in Kleinstädten und Dörfern immer mehr in den Fokus eines urban geprägten Milieus rückt. In seinem Impulsvortrag stellte er bereits existierende innovative Formen des gemeinschaftlichen Arbeitens, Lebens und Gestaltens wie ländliche Coworking Spaces, Kreativorte und Wohnprojekte auf dem Land vor. Die Konferenzteilnehmenden erhielten so neue Perspektiven und reichlich Inspirationen, wie ein attraktives und modernes Landleben aussehen und gestaltet werden kann. 

Keynote:
Roadmap für ein gutes Leben und Arbeiten auf dem Land

Als Keynote-Speakerin konnte Dr. Ursula Monnerjahn, Referatsleiterin “Digitalisierung in ländlichen Räumen” des Bundesministeriums für Ernährung und Landwirtschaft (BMEL), gewonnen werden. In ihrem kurzweiligen Vortrag wurde der thematische Bogen für den Tag gespannt. Entlang der bekannten Chancen und Herausforderungen ländlicher Regionen zeigte sie die vielfältigen Tätigkeits- und Handlungsfelder des BMEL auf.

Ergänzend stellte sie heraus, wie die Transformation der Arbeitswelt, die sich durch die Corona-Pandemie auch im ländlichen Kontext stark beschleunigt hat, besondere Aufmerksamkeit durch das Ministerium erfährt. 

Panel:
Mehr Handlungsfähigkeit für ländliche Kommunen und ihre Bewohner:innen

Bevor es für die Teilnehmenden in die Mittagspause ging, rundete das Panel mit drei spannenden Gästen die erste Tageshälfte der Konferenz ab. Moderiert wurde die Runde von der Journalistin Katharina Heckendorf. In ihrer Podcast-Reihe ‘Urban Change’ der Zeit-Stiftung hatte diese bereits mit verschiedenen Akteuren über die Zukunft des Urbanen gesprochen und spannende Fragen zur Entwicklung ländlicher Räume in Zeiten von Digitalisierung und Corona-Krise sowie zur Stadt-Land-Annäherung gestellt.

So diskutierte Heckendorf diesmal mit Mario Wiedemann, Bertelsmann Stiftung, Dr. Florian Ranft, Progressives Zentrum und Dr. Janet Merkel, Technische Universität Berlin, über den Wandel der Arbeitswelt und seine Chancen für das Land. 

Besonders spannend waren die Antworten der Panelisten auf die Frage, wer derzeit tatsächlich vom Wandel der Arbeitswelt profitiert. Dabei wurde deutlich, dass der Trend unter Großstädter:innen, die für sich das neue

Landleben entdecken, vor allem Menschen aus den Kreativ- und Wissensberufen betrifft, die sich beruflich bereits etabliert und schon Familie haben oder sich in der Familiengründung befinden. Andere treibt es eher unfreiwillig dorthin, zum Beispiel weil sie sich die Mieten in den Städten nicht mehr leisten können. Es wurde deutlich, dass diese ungleichen Lebensverhältnisse für ein realistisches Bild in die Betrachtungen mit einbezogen werden müssen. 

Wie der digitale Strukturwandel der Arbeitswelt zukünftig auch für die ländlichen Räume genutzt werden kann und welche Schritte es dazu braucht, formulierten die Panelisten gemeinsam in einem Abschlussplädoyer. Dabei waren sich alle einig: Die Politik muss die richtigen Rahmenbedingungen setzen und Arbeitnehmer:innen mehr Selbstbestimmung bei der Wahl und Gestaltung der eigenen Arbeitsweise ermöglichen. Darüber hinaus müssen Kommunen in ländlichen Räumen wieder in ihrer Handlungsfähigkeit gestärkt und strukturschwachen Regionen mehr Gehör verschafft werden. Den Landbewohner:innen sollte zudem mehr Aufmerksamkeit geschenkt und mehr Anerkennung für ihre Räume und Regionen gegeben werden, damit gleichberechtigte Lebensverhältnisse entstehen können.

Policy Slam:
Breiter Dialog, intelligente Regulation und mehr Mut für Experimente

Was es für den Weg nach vorne braucht, dazu positionierten sich im Policy Slam nach der Pause Eva Schubert, Bundesministerium für Arbeit und Soziales (BMAS), Tobias Kremkau, CoWorkLand eG, und Mario Wiedemann, Bertelsmann Stiftung.

Eva Schubert verdeutlichte im Namen des BMAS die zunehmende Relevanz mobiler Arbeit für die zukünftige Gestaltung des Arbeitsmarktes. Im Rahmen des Programms ‘Arbeit: Sicher und gesund’ baut das Bundesministerium dazu derzeit einen neuen Dialogprozess unter Einbindung einer breiten

Stakeholder-Mitwirkung auf. Darin sollen zum einen die Beschäftigten-Perspektive eingefangen, aber auch notwendige Fragen zur Raum- und Flächengestaltung sowie zur Führungs- und Unternehmenskultur geklärt werden, um mobiles Arbeiten zukünftig sinnvoll zu regulieren und weiter zu etablieren. 

Wie die Politik konkret die Rahmenbedingungen für mobiles Arbeiten verbessern kann, dazu positionierte sich anschließend Coworking-Experte Tobias Kremkau. Er machte die Vorteile mobiler Arbeit für ländliche Kommunen deutlich und formulierte anschließend fünf Forderungen an die Politik zur Unterstützung von Coworking auf dem Land. Klar wurde: Neues Arbeiten auf dem Land muss intelligent reguliert sein. Wesentliche Aspekte dafür sind die Dableib-Pauschale, bessere Förderprogramme, eine Reform der Gewerbesteuer und eine Erleichterung der Umnutzung leerstehender Flächenpotenziale in ländlichen Kommunen. 

Die Chancen der Digitalisierung für eine lebenswerte Kommune nutzen, darauf zielt auch das vorgelegte Policy Paper der Initiative Digitale Landpionier:innen ab. Mario Wiedemann sprach stellvertretend für die neu gegründete Initiative und verdeutlichte, wie bedeutsam innovative Kommunalverwaltungen in ihrer Rolle als Möglichmacher und experimentierfreudiger Unterstützer für den Wandel sind. 

Innovation Pitches:
Mit Entschlossenheit, Zuversicht und Begeisterung

Beim Innovation Pitch ging es dann Schlag auf Schlag weiter. Fünf ländliche Innovationsakteure berichteten von den Beweggründen und Erfolgsgeschichten ihrer Ideen und Initiativen.

Den Start machte Lars Schulze, selbstständiger Digital Marketing Advisor aus Brandenburg an der Havel und live zugeschaltet aus seinem Urlaub auf der Snowboardpiste. Als Initiator des Gründer:innen-Netzwerks Havel Valley hat er bereits erfolgreich Start-Ups und Entrepreneure nach Brandenburg aufs Land gelockt. Sein Ziel:  Brandenburg an der Havel zum Silicon Valley von Berlin-Brandenburg entwickeln.

Als weiterer Innovationsakteur stellte sich das Zukunftszentrum Brandenburg (ZFBB) vor. Das Projekt unterstützt vor allem kleine und mittlere

Unternehmen mit Beratungs- und Qualifizierungsangeboten beim digitalen Wandel und hilft ländlichen Arbeitgebern, sich auf den Weg in die Zukunft zu machen. 

Karin Gottfried aus dem Hochsauerlandkreis präsentierte das bundesweite Netzwerk Hüben & Drüben. Ihre Initiative berät Rückkehr- und Zuzugswillige und zeigt ihnen unter anderem die Vorteile mobiler Arbeit auf, um dem Wunsch nach einem Leben auf dem Land näher zu kommen. 

New Work in der Verwaltung? Mit seinem Pitch zum StartUp Bauhof war Stefan Kraus von der Stadtverwaltung Herrenberg die Aufmerksamkeit seiner Zuhörer:innen sicher. Denn dort ist ihm und der Stadt ein kleines Wunder gelungen: Die Einführung von agilen Arbeitsmethoden machte den städtischen Bauhof Herrenberg zu einer hierachielosen und selbstorganisierten Verwaltungseinheit – ein absolutes Novum auf seinem Gebiet. 

Von Brandenburg vorbei am südöstlichen Nordrhein-Westfalen über Herrenberg im Herzen von Baden-Württemberg wieder zurück nach Brandenburg: Projektkoordinator Markus Lahr stellte die Präsenzstelle Luckenwalde vor. Dieser Digitale Ort mit seinem Coworking Space, Makerspace und Showroom ist heute aus der Brandenburger Wissenschaftslandschaft nicht mehr wegzudenken und macht eines deutlich: Auch Kleinstädte ohne eigenen Hochschulstandort können über Orte wie diesen ein Melting Pot für digitale Bildung und neue Ansätze der Arbeitswelt und damit Innovationsträger werden. 

Workshops:
Ein buntes Tool-Kit für Neugierige und Macher:innen

Um nicht nur im Abstrakten verharren zu bleiben, ging es für die Konferenzteilnehmenden am Nachmittag via parallel stattfindender Workshops in den praktischen Austausch mit Expert:innen, darunter das Netzwerk Zukunftsorte, Wir bauen Zukunft Nieklitz, das Zukunftszentrum Brandenburg, Hüben & Drüben und der Deutsche LandFrauenverband e.V. . Die thematische Bandbreite reichte von ‘Skills der Zukunft’ über ‘erste Schritte (zurück) aufs Land’ bis hin zur Frage, wie man eigentlich so einen eigenen neuen Arbeits- und Lebensort auf dem Land aufbaut. Diana Krebs von neuland21 führte zudem mit Stefan Kraus noch einmal ein vertieftes Fachgespräch zum Thema New Work in der Verwaltung. Die 1-stündigen Workshop-Sessions gingen flux vorüber und beinahe unbemerkt befand sich die Konferenz bereits auf ihrer Zielgeraden. 

Kamingespräch:
Transformation in all ihren Facetten

Den letzten Höhepunkt des Tages setzen Dr. Max Neufeind, Journalist und Politikberater, mit Marilena Berends, Publizistin und Podcasterin, und Marius Hasenheit, Nachhaltigkeitsberater und Herausgeber des transform Magazins. Wer es an diesem Tag bis hierhin geschafft hatte, konnte nun hautnah ein Gespräch unter Transformationsenthusiasten mitverfolgen, das sich aufgrund seiner Dichte kaum noch adäquat wiedergeben lässt.

Entlang der Fragestellung ‘Wie werden wir morgen arbeiten und leben?’ diskutierten die drei gegenwärtige und zukünftige Transformationentwicklungen. Passiert mir Transformation oder kann ich mitgestalten? Was verhindert Transformation und was unterstützt sie? Wie transformiert man Haltung und Werte? Wieviel Transformation ist zumutbar und ab wann poppt Reaktanz hoch? Wie einfach oder komplex müssen Transformationsgeschichten sein? Mit Fragen wie diesen forderte Moderator Max Neufeind seine beiden Gäste auf, immer tiefer in die Thematik einzusteigen. Wer bis zum Ende noch folgen konnte, ist rauchenden Kopfes zwar, aber dafür mit vielen neuen Denkanstößen nach diesem Kamingespräch und einem langen Konferenztag in den wohlverdienten Feierabend gegangen. 

Vielen Dank für einen inspirierenden Konferenztag! 

Wir danken allen Speaker:innen für ihre tollen Beiträge und Inputs und natürlich auch allen Teilnehmenden, die sich über kurz oder lang bei unserer Online-Konferenz ‘Brandenburg Remote 2022’ zugeschaltet haben. Schön, dass ihr so zahlreich dabei wart, kritische nachgefragt und euer Wissen geteilt habt. Es hat uns große Freude gemacht, mit euch den Konferenztag gemeinsam zu erleben und zu gestalten! 

Ein großer Dank geht auch raus an unser Moderations-Duo: Anna Momburg von neuland21 und Tobias Ilg von “New Work uffm Land” für die digitale Wohlfühlatmosphäre bei Zoom. Doppelt hält eben besser! 

Wir freuen uns auf den weiteren Austausch mit Euch. 

Die Konferenz ist Teil des Modellprojekts Heim[at]office und wird durch das Ministerium für Wirtschaft, Arbeit und Energie aus Mitteln des Europäischen Sozialfonds und des Landes Brandenburg gefördert. 

Ihr wollt im Rahmen des Projekts mit uns zusammenarbeiten? Kontaktiert uns!


Quellen: 

Dolls, M. und Mehles, J. (2021): Wie beeinflusst die Corona-Pandemie die Wohnortpräferenzen? In: ifo Schnelldienst, Band 8, 74. Jahrgang, S. 27-31 [online]

Autor:innen: Jonas Mühleck, Antonia Schumann, Janine Hoelzmann